Stay calm and carry on

Große Veränderungen erscheinen vielen Menschen Symptome des 21. Jahrhunderts zu sein, doch schon immer musste die Menschheit mit starken Herausforderungen kämpfen und hat diese nicht nur gemeistert, sondern ist daran gewachsen. Dies ist ein Appell, uns unserer Kräfte zu besinnen und mit einem Blick auf die Vergangenheit Mut und einen klugen Plan für die Zukunft zu entwickeln.

Mancher schwärmt von der guten, alten Zeit und ächzt unter den massiven Veränderungen dieser Zeit. Dabei sind die Digitalisierung und jetzt COVID-19 letztlich nur Folgen technischer und gesellschaftlicher Entwicklungen, die es schon immer gab. Sie sind keine Ursachen für die viel beschworene VUKA-Zeit (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität), in der wir uns gerade befinden, und in ihrer Wirkung für unsere Gesellschaft auch nichts Neues. 

Nicht einmal das Akronym VUKA, das seit ein paar Jahren in den meisten Publikationen erscheint, welche die aktuellen gesellschaftlichen Verschiebungen zu beschreiben versuchen, ist aktuell. Es stammt aus den 1990-er Jahren und beschrieb vor dreißig Jahren die bereits damals gefühlte Unmöglichkeit, die damals aktuellen Ereignisse unter Kontrolle zu halten. Und die Klage „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer“ stammt von Sokrates und ist sogar schon 2500 Jahre alt.

 

GROSSE KRISEN UND UMWÄLZUNGEN GAB ES SCHON IMMER

Die Entdeckung des Feuers, die Erfindung des Rades, die Industrialisierung, Automatisierung und jetzt die Digitalisierung waren und sind normale Folgen und zugleich Ursachen menschlicher und damit gesellschaftlicher Entwicklungen und haben zu ihrer jeweiligen Zeit die Menschen und deren Leben massiv verändert. Gemessen an ihrem Wissens- und Erfahrungshintergrund und daran, welche Veränderungsgeschwindigkeit Menschen damals gewohnt waren, waren diese vielleicht sogar noch umwälzender und haben die Menschen noch viel mehr verunsichert als uns heute. Jede Zeit war und ist mit Werte-Paradigmen verbunden, deren Übergang uns Menschen und unsere jeweilige Gesellschaft im Übergang erschüttert hat.

  

 

 

 

Entwicklungsgeschichtlich ging es zunächst ums  1. Überleben: Sich ernähren zu können und ein Dach über dem Kopf zu haben. Schon bald hat es sich gezeigt, dass die Bildung von Gruppen das Überleben leichter macht und 2. Sicherheit bietet. Und wie auch heute noch, dauerte es nicht lange, bis sich innerhalb einer Gruppe eine einzelne Person berufen gefühlt hat, diese zu führen; die 3. Macht zu übernehmen. Die Gruppen wurden immer größer, es gab bald mehrere Gruppen zu führen und über längere Distanzen, und das war von einer einzelnen Person nicht mehr zu bewerkstelligen. Also brauchte es 4. Ordnung, Regeln und Strukturen. Religionen und weltliche Herrscher konnten somit ihre Macht auch aus der Ferne ausüben.

Mit der Aufklärung rückte die Wissenschaft in den Vordergrund und ermöglichte den Fortschritt und den wirtschaftlichen 5. Erfolg. Die ersten größeren Unternehmen, Fabriken wurden gegründet und die alten großen Ordnungen begannen an Einfluss zu verlieren. Die meisten Menschen konnten von diesem Erfolg nicht persönlich profitieren, deshalb formierte sich der Wunsch nach Wohlstand für alle, Arbeiter begannen für ihre Rechte zu kämpfen, Gewerkschaften und soziale Parteien gewannen an Zulauf und beeinflussten zunehmend die gesellschaftlichen Entwicklungen in Richtung einer 6. Gemeinschaft.

All diese Werte-Paradigmen lösen einander nicht ab und sind auch nicht unterschiedlich wertvoll, sondern sie umschließen und ergänzen die vorherigen.

Daher spricht Don Beck auch von der Dynamik einer Spirale. Und manchmal werden wir auf ältere Werte-Paradigmen zurückgerufen, wie aktuell durch die Corona-Krise auf 1. Überleben. Dies ist ein Werte-Paradigma, das keinen Zugriff auf rationales Denken hat. Und das erklärt, warum sich Menschen entgegen jeder Vernunft kürzlich mit Bergen von Toilettenpapier eingedeckt haben. Jedes Werte-Paradigma kann auch dysfunktionale Verhaltensweisen beinhalten, wie wir z.B. bei der Macht und Donald Trump gerade beobachten müssen. Wenn wir reflektiert genug sind und die möglichen dysfunktionalen Aspekte eines jeden Werte-Paradigmas transformiert haben und somit gleichzeitig auf alle uns zur Verfügung stehenden Ebenen zugreifen können (also z.B. auch Ordnung, Erfolg und Gemeinschaft) hält uns das von Hamsterkäufen ab.

Politiker nutzen also aktuell ihre Macht, um ganze Länder von einem auf den anderen Tag quasi stillzulegen, um die Gesundheitssysteme vor dem Kollaps zu bewahren, wie wir ihn in vielen anderen Ländern mit Schrecken beobachten können. Dort, wo das aktuell (noch) gut funktioniert, wie z.B.  hier in Deutschland, kann die Politik auf Strukturen und Konzepte (Ordnung) zurückgreifen, die Menschen der Wissenschaft und Wirtschaft (Erfolg) vertrauen und der Politik (Macht) folgen, um sich selbst und die Schwächsten der Gemeinschaft zu schützen. 

 

GROSSE VERSCHIEBUNGEN HATTEN SICH BEREITS ANGEKÜNDIGT

Schon vor Corinna haben sich durch mehr oder weniger starke Erschütterungen tektonische Verschiebungen in unserer Gesellschaft angekündigt: Große Krisen, wie Hunger, Überbevölkerung, Finanz- und Klimakrisen sowie Politikverdrossenheit sind quasi als Vorboten für neue Werte-Paradigmen aufgetreten. Die heutige Komplexität und Volatilität lassen sich mit den guten alten Werte-Paradigmen wie Macht, Ordnung und Erfolg allein, von denen die meisten Regierungen und Konzerne noch hauptsächlich geprägt sind, offenbar nicht mehr steuern. Ob jetzt Grund oder Folge der Entwicklungen: Mitarbeiter können sich ihren Arbeitgeber jetzt zunehmend aussuchen, es ist ein Kampf um Talente entbrannt und diese stellen Ansprüche. 

Ob die Digitalisierung jetzt als Ursache, Katalysator oder Hilfsmittel für die Hinwendung zum nächsten Werteparadigma 7. Synergie wirkt, ist letztlich egal: Die Arbeit soll Sinn machen und Erfüllung bringen, die Menschen wollen mehr selbst denken und Verantwortung übernehmen und arbeiten, wann und wo sie wollen. Autorität ist kontextabhängig, es wird projektbezogen in Teams gearbeitet.

 

FÜHRUNGSKRÄFTE MÜSSEN LOSLASSEN

Manager müssen vom Manager zum Coach und Leader werden, das sind völlig neue Verhaltensweisen, die eben auch neu gelernt werden müssen. Doch auch für die Mitarbeitenden ist das eine Herausforderung: Viele haben sich noch gegen die ersten Ausläufer von New Work gewehrt als sie feste Aufgaben, Führungskräfte und Arbeitsplätze loslassen mussten. Hier hat uns die Corona-Krise aus der Komfort-Zone herauskatapultiert: Home-Office mit allen technischen Herausforderungen sowie die neue Lässigkeit, die vor einiger Zeit mit Sneakers auf Aktionärsversammlungen noch ein wenig ungelenk rüberkam, sind mit Videokonferenzen und Reporterschalten vom Küchentisch mit Kindern und Tieren im Hintergrund von heute auf morgen quasi etabliert.

Führungskräfte müssen ihren Mitarbeiter fern im Home-Office vertrauen und es zeigt sich, dass die Produktivität im Home-Office nicht wie befürchtet sinkt, sondern die Menschen übernehmen Verantwortung und legen sich noch mehr ins Zeug, wie eine Studie der Standford University belegt. Die Kreativität und Hilfsbereitschaft der Menschen und Unternehmen kennt derzeit fast keine Grenzen, jetzt gemeinsam die Krise zu überwinden.

Don Beck hat dereinst von Mega-Problemen und chaotischen Ereignissen gesprochen, die neues Denken erfordern und den Übergang zur 7. Synergie einleiten. Vermutlich hätte er sich nicht träumen lassen, wie zutreffend er damals die heutige Situation beschrieben hat. 

So vielen Menschen haben bereits ihr Leben, ihre Familienmitglieder und Existenzen verloren, viele kämpfen für sich und andere bis zur Erschöpfung. Walter Wüllenweber spricht im Stern (15/29 Mehr Halt als gedacht) von Solidarität und Großzügigkeit, die Geiz, Gier und Egoismus abgelöst hätten.

 

WORAUF ES JETZT ANKOMMT

Neben den schlechten Beispielen, die es auch gibt, hat die Krise trotz oder wegen seiner Unausweichlichkeit das Gute im Menschen herausgekehrt und kann uns lehren, worauf es in unserer Familie, unserer Gesellschaft und unseren Unternehmen zukünftig ankommen wird: Mehr zu reflektieren, zu vertrauen, das Chaos nicht beherrschen zu wollen, sondern anzunehmen, die großen Fragen des Lebens gemeinschaftlich zu klären, kooperative Synergien zu schaffen, einen natürlicheren Fluss von Entscheidungen und Prozessen zu installieren, mehr Verantwortung im Kleinen und Großen zu übernehmen und damit nachhaltige Lösungen zu installieren für eine globale Gemeinschaft.

 

Übrigens: Wie wir Veränderungen gestalten können, habe ich übrigens letzte Woche mit meinem Kollegen Mathias Fischedick in seinem Podcast besprochen.

Stay calm and carry on

Große Veränderungen erscheinen vielen Menschen Symptome des 21. Jahrhunderts zu sein, doch schon immer musste die Menschheit mit starken Herausforderungen kämpfen und hat diese nicht nur gemeistert, sondern ist daran gewachsen. Dies ist ein Appell, uns unserer Kräfte zu besinnen und mit einem Blick auf die Vergangenheit Mut und einen klugen Plan für die Zukunft zu entwickeln.

 


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Neues Buch: Vision – Mission – Werte. Die Basis der Leitbild- und Strategieentwicklung. 

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